Ich war heute das erste Mal auf einer Demo und habe Redebedarf.
Heute gab es zwei Demos in unserer Stadt: eine von der rechten Partei „Der III. Weg“, der seit einem Jahr ein Parteibüro in unserer Stadt hat, und eine von dem Bündnis „Siegen gegen Rechts“ („Siegen“ meint unsere Stadt, kein Verb).
Ich finde es gut und richtig, auf der Demo vom Siegener Bündnis Präsenz zu zeigen. Als der III. Weg, der sein Parteibüro bei mir um die Ecke hat, heute Mittag mit einer Gruppe an meiner Wohnung vorbeizog, lief es mir eiskalt den Rücken runter und ich habe beschlossen: Ich werde gleich auf die Demo von „Siegen gegen Rechts“ gehen.
Eine Stunde später stand ich mit mehreren Hundert anderen Menschen auf einem großen Platz – alle mit Abstand und Maske, alles coronakonform.
Dann kam die erste Rednerin. Und mir wurde flau im Magen.
Sie monierte, dass die Demo der Nazis erlaubt wäre, unsere aber nicht.
Das ist faktisch falsch. Demos meldet man an, sie werden nicht genehmigt oder erlaubt. Die Versammlungsfreiheit haben alle, auch während Corona, das haben Gerichte bestätigt.
Was sie eigentlich meinte: Der III. Weg durfte einen Umzug machen, die Demo „Siegen gegen Rechts“ nicht. Das wurde Letzteren tatsächlich untersagt, und zwar aus folgendem Grund: Bei den städtischen Gegebenheiten ist es nicht möglich, während des Umzugs von mehreren Hundert Menschen permanent die Coronaregeln einzuhalten. Bei ein paar Dutzend Rechten war das dagegen nicht problematisch, weshalb es hier nicht untersagt wurde.
Das kann man doof finden, faktisch gibt es aber Unterschiede und die Entscheidung ist korrekt, auch wenn das freiheitliche Herz schmerzt.
Die Dame sagte außerdem, durch diese Entscheidung wisse man, auf welcher Seite die Gerichte stünden.
Faktisch falsche Aussagen und solche waghalsigen Interpretationen halte ich für brandgefährlich und verantwortungslos. Egal, auf welcher Seite die Dame steht. Das ist populistische Stimmungsmache.
Dann kamen ein paar Redner, denen man gut zuhören konnte, die inhaltlich kluge Dinge sagten.
Als dann eine weitere Dame eine Rede hielt, habe ich es nicht mehr ausgehalten und verließ die Demo nach rund einer Stunde.
Die Dame sprach sich gegen den Kapitalismus aus. Gut, den kann man doof finden. Kann ich mit leben. Aber als sie dann anfing, zu behaupten, unser Staat, insbesondere die Polizei, würde rechte Netzwerke stützen, unterstützen und pflegen und mit ihnen Hand in Hand arbeiten, ging es mir zu weit.
Die Polizei macht Fehler. Und es gab in den vergangenen Jahren einige Dinge, die sehr fragwürdig sind. Man darf die Frage stellen, ob es ein strukturelles Problem gibt. Man darf die Frage stellen, ob all das, was passiert ist, wirklich Einzelfälle sind. Aber ich finde es hoch problematisch, aufgrund von einigen Fällen, die durchaus kritisch zu beurteilen sind, zu behaupten, unsere Polizei würde generell auf der rechten Seite stehen und die rechten Strukturen in unserem Land stützen und am Leben halten.
Das wurde mir zu bunt. Dafür will ich nicht dort stehen!
Ich bin zu der Demo gegangen, weil ich gegen Rechts aufstehe. Weil ich zeigen möchte, dass wir mehr sind, dass wir ein freiheitliches Land sind, in dem jeder leben darf – egal, wen er liebt und wie er aussieht.
Aber ich kann nicht da stehen und mir populistische Stimmungsmache von links anhören. Das finde ich genauso schlimm wie von rechts.